Donnerstag, 26. September 2013

Blinkende Schuhe

„Na, ihr zwei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, warum ich so genervt bin?“ „Ja“, antworten beide wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen. „Nein, wollt ihr nicht, jedenfalls nicht alles“, stöhne ich. „Ich erzähle euch nur von dem Nervtöter mit rattigem Unterhaltungscharakter. Den Rest erspare ich euch, weil ich euch nämlich mag und aus diesem Grunde nicht auch nerven will.“ „Das ist sehr sozial von dir“, lobt mich Ratz. Zwei Ratten sitzen auf dem Tisch, spitzen ihre Ohren und schauen mich erwartungsvoll an. „Mich nerven Kinderschuhe, die blinken, sind offenbar gerade hochmodern“, sage ich. „Es ist dunkel, die Kinder selbst sieht man nicht und überall schweben auf und ab hüpfende Blinklichter die Straßen entlang. Horror! Statt einer Entscheidung, ob AN oder AUS, fortwährender Wechsel.“ „Sieht bestimmt lustig aus“, murmelt Rabatz seine Gedanken leise vor sich hin. „Nein“, rege ich mich auf, „genau das tut es nicht! Es nervt!“ Allerdings muss ich sogleich grinsen und spreche unaufgeregt weiter: „Aber ich muss an einen lustigen Ratschlag denken, den meine Supervisorin neulich einer Kollegin gab, die sich in einer schwierigen Situation von einer Kollegin, die sie an sich mag, übervorteilt fühlte und unsicher war, wie sie das Problem am geschicktesten dem Chef schildern kann. Ihr wurde geraten, das gekränkte Kind zu spielen: Alle anderen haben blinkende Schuhe, nur ich nicht, *schluchz*. Der Chef wird auch ihr blinkende Schuhe geben, ganz sicher, denn er ist einer, der sich um Ausgleich und Harmonie bemüht.“ „Nur gut, dass du nicht der Chef bist“, kommentiert Ratz und verdreht seine Augen, als er – dicht gefolgt von Rabatz - schon auf dem Weg in die Küche ist. „Wieso?“, frage ich. „Na du“, so Ratz, „würdest nicht dem traurigen Kind blinkende Schuhe geben, sondern allen anderen, wenn sie nachts schlafen, heimlich die Leuchtdioden aus den Schuhsohlen polken.“ „Hm“, gebe ich zögernd zu, „ja. Zumindest tendiere ich zu derart rigorosem Handeln.“

Sollbruchstellenkonzentrat

„Na, ihr zwei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, was ich gekauft habe?“ Und ohne ihre Antwort abzuwarten, ziehe ich mehrere instabil wirkende Teile aus seriös aussehender Verpackung. Rabatz schlüpft sogleich zwischen die Pappen und gibt - seinen Kopf heraussteckend - bekannt: „Guter Karton. Wenn der, den wir momentan im Käfig haben, komplett durchnässt und zernagt sein wird, oder eventuell auch schon etwas früher, möchte ich bitte diesen. Nicht wegwerfen!“ „Gut“, sage ich, „mich interessiert ohnehin mehr das, was darin verpackt war.“ „Was ist das denn?“, erkundigt sich Ratz, während er die ausgepackten silberfarbenen und schwarzen Metall- und Plastikteile, die auf dem Tisch liegen, inspiziert. „Ich weiß auch nicht so genau“, antworte ich. „Auf der Packung steht: durch drei Gelenke und schwenkbaren Lampenschirm individuell einstell- und flexibel einsetzbare Schreibtischleuchte mit Metallreflektor für ermüdungsfreies Arbeiten und Lernen, kippsicher durch möbelschonenden Leuchtenfuß... Aber irgendwie… hatte ich mir den Inhalt anders vorgestellt… so ähnlich wie die Abbildung auf der Verpackung… Wo ist denn die Bastelanleitung?“ Ich suche und finde die Hinweise zur Montage und bestimmungsgemäßen Anwendung und es gelingt mir sogar beim ersten Versuch, eine Schreibtischleuchte zu bauen, die der in der Anleitung ähnelt. Ratz umkreist das gute Stück mehrmals und beäugt es kritisch. „Du“, ermahne ich ihn, „stoße nicht dagegen! Die Gelenke und Gelenkarme sehen nicht so aus, als würden sie einem Umkippen der Lampe standhalten.“ Rabatz, der immer noch in der Verpackung hockt, vermeldet: „Macht nichts, wenn die Lampe nichts taugt, der Karton ist gut.“ „Ich habe nicht 13 Euro für einen Pappkarton bezahlt“, murre ich. „Du hast für dieses klapprige Leucht-Gerippe wie viel bezahlt?! 13 Euro?!“, regt Ratz sich auf. „Na ja, nicht ganz. 12,99 Euro“, will ich beschwichtigen, was mir jedoch nicht gelingt. Ratz tritt in Fatz‘ Fußstapfen. „Du hast für diese notdürftig miteinander verschweißten Sollbruchstellen 13 Euro bezahlt und für uns gibt es immer nur billigsten Nager-Mix…“ „Nein“, unterbreche ich ihn und werde laut, „Nix billiger Nager-Mix! Ihr dürft euch, wann immer ich euch aus dem Käfig lasse, in der Küche bedienen und außerdem waren es nicht 13 Euro, sondern 12,99 Euro. Und die alte Lampe, selbst gebastelt, senkrecht in einen Gipsklumpen gesteckter Kochlöffel und daran eine Lampenfassung befestigt, kippt dauernd um und fällt auf die Tastatur. Und eigentlich hatte ich ja nur Joghurt, Obst und Käse…“ Weiter komme ich nicht… „Käse?“, rufen Rabatz und Ratz gleichzeitig aus, springen vom Tisch auf den Boden und von dort in meinen Rucksack, finden darin, was ihre Mäulchen bzw. Schnäuzchen, Herz-und Bäuchlein begehren, und es kehrt nicht tatsächlich Ruhe, aber doch zumindest vorübergehend Frieden ein: Aus meinem Rucksack schmatzt es, während ich mit mir und dem neu erworbenen Sollbruchstellenkonzentrat – es ist nicht mein erstes und einziges – hadere.

Dienstag, 24. September 2013

Nun sind es nur noch 2

„Na, ihr drei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr raus?“ Zwei Ratten strecken mir ihre Köpfe entgegen, von der dritten sehe ich lediglich den Schwanz, der unter einem Pappkarton hervorlugt. Ratz und Rabatz springen raus, aber nicht wie sonst in die Küche, sondern zu mir auf den Schoß und wieder zurück in den Käfig, zu mir auf den Schoß und wieder zurück in den Käfig… Unmissverständliche Ansage: Guck mal, was passiert ist! Ich hebe also das Käfiggitter ab und dann den Karton hoch, unter dem Fatz liegt – tot.

Fatz - unklar, woran er gestorben ist

Er hatte in den letzten Wochen sehr schnell sehr abgenommen und, obwohl er deshalb separat Futter bekam, an Kraft verloren, dennoch starb er jetzt überraschend. Kein Knurren, Nörgeln, Grummeln mehr. Stille. Schweigend gucken Ratz und Rabatz zu, wie ich ihn zusammen mit den Zeitungsschnipseln und Sägespänen, auf denen er liegt, in eine kleine Pappschachtel bette und hinaustrage. Obwohl der Käfig noch auseinandergenommen ist und ihrem Bewegungsdrang keinen Einhalt gebietet, bleiben beide neben der Stelle, an der Fatz gelegen hat, sitzen.

Sonntag, 22. September 2013

Bundestagswahl

„Na, ihr drei“, frage ich, als ich vom Wählen nach Hause komme*, keinen Rucksack neben das Fahrrad stelle, weil ich nur mein Personaldokument mitgenommen hatte, ihren Käfig öffne und den Computer hochfahre, „wollt ihr mitlesen?“ „Nö“, knurrt Fatz. „Wir sind Leser, aber keine Mitleser“, witzelt Ratz, als er schon auf dem Weg in die Küche ist. „Ja“, antwortet Rabatz und springt neben den Laptop, „erst mitlesen, dann mitessen… Oh, wir haben Post von Dumbina.“ „Dumbina?“ Fatz horcht auf. „Die kranke Rattenfrau, die wir unlängst zu Besuch hatten“, erklärt Rabatz. „Krank kann ich selber“, stöhnt der tatsächlich kränkliche Fatz und legt sich wieder in den Käfig. „Was schreibt sie denn?“, tönt Ratz aus der Küche. „Lies selber“, rufe ich zurück. Er kommt. Sogar Fatz gesellt sich dann noch zu uns und sie lesen. (Linker Link, bitte anklicken und zum Kommentar unterm Post scrollen!) Aus drei Augenpaaren schaut es mich entsetzt an: „Hoffentlich hast du nicht grün gewählt!“ „Nein. Rot“, versuche ich zu beruhigen. „Was?! Die Steinbrücke?“, echauffiert sich Fatz, in den kurzzeitig das Leben zurückkehrt. „Nein, nicht die Rötlichen, die Roten.“ Scheinbar beruhigt ziehen drei Rattenböcke zum (Mit)Essen in Richtung Küche von dannen.

*Genau, wie es die Partei Die Linke noch bis gestern auf ihren überall verteilten und vielerorts auch einfach nur abgelegten Handzetteln vorschlägt, habe ich es gemacht: AUSSCHLAFEN, FRÜHSTÜCKEN, WÄHLEN. (Ich finde als Formulierung „Partei Die Linke“ konkreter als lediglich „Die Linke“, denn es gibt mehr Linke, als in dieser Partei versammelt sind.)

Freitag, 20. September 2013

Hunger

„Na, ihr drei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, was ich habe?“ „Ja“, antworten alle drei im Chor. „Hunger“, sage ich und füge hinzu: „Ich vermute, ihr auch.“ Zustimmung.

Wahlbenachrichtigung mit Kuchen (unfrisch) und Rabatz (frisch... und munter)

Mittwoch, 18. September 2013

Unter Strom

„Na, ihr drei“, sage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wir haben Post. Wollt ihr wissen, was d’rin steht?“ „Ja“, antworten alle drei im Chor. Ich öffne also den Brief von Vattenfall, vier Paar Augen huschen die Zeilen entlang, woraufhin Ratz die seinigen genervt verdreht und sogleich in die Küche verschwindet, wo er sich der Nahrungssuche widmet, und Rabatz mich flehentlich anschaut: „Bitte nicht ausrasten, ja?“ Fatz zieht sich - irgendetwas Unverständliches grummelnd - in den Käfig zurück, den er auffallend gern für sich allein hat. Ich setze mich leise stöhnend an den Schreibtisch, fahre den PC hoch, greife nach meinem Behördenkram-Ordner, studiere die Stromanbieter-Vertragsunterlagen und beginne zu tippen. „Was schreibst denn du?“, erkundigt sich Rabatz, nachdem er neben den Laptop auf die Tischplatte gesprungen ist. „Stör mich jetzt nicht! Lies selber!“, antworte ich (ein wenig) unfreundlich. Und er liest:
Konten xxxxxxxxx850 bzw. xxxxxxxxx398
 Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihr Schreiben vom 15.09.2013, in welchem Sie mir als Vertragsende den 11.09.2013 mitteilen und mich auffordern, ggf. meine neue Anschrift mitzuteilen, damit Sie mir die Schlussrechnung zuschicken können, löst bei mir Verwunderung aus, denn
1. habe ich Ihr Schreiben per Post erhalten, also ist Ihnen meine unveränderte Anschrift bekannt,
2. endete der Vertrag zwischen Ihnen und mir am 31.05.2013 und seit dem 01.06.2013 werde ich von Stromio.de mit Strom beliefert,
3. haben Sie mir die Schlussrechnung am 05.06.2013 bereits geschickt, zu begleichen hatte ich nichts, weil ein Guthaben bestand, von dessen Auszahlung ich jedoch wegen Geringfügigkeit absehe, und
4. stimmt die von Ihnen im o.g. Schreiben angegebene Vertragskontonummer nicht mit der in den Vertragsunterlagen sowie der Schlussrechnung verwendeten überein.
Ich gehe davon aus, dass Ihrer Aufforderung an mich, Ihnen meine Adresse mitzuteilen, ein Irrtum zugrunde liegt.
 Mit freundlichen Grüßen
 Miriam Hartz
„Sehr gut“, lobt mich Rabatz, „du bist nicht ausgerastet! Das machst du wirklich gut!“ Und bevor er sich zu Ratz in die Küche begibt, zwackt er mich noch freundschaftlich in den Unterarm.

Dienstag, 17. September 2013

Schlechte Menschen

„Na, ihr drei“, sage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle, ihren Käfig öffne und mich in den Sessel fallen lasse. Einen Moment lang passiert dann nichts Bemerkenswertes. Ratz verschwindet in der Küche, Rabatz wuselt um meine Füße, Fatz steckt lediglich seinen Kopf aus dem Käfig. Dann springt Rabatz auf meinen Schoß, zupft an meiner Jacke und fragt: „Was ist denn mit dir heute los? Wieso sagst denn du nichts?“ „Ich habe doch >>Na, ihr drei<< gesagt. Reicht das nicht?“, antworte ich gereizt. „Mir reicht’s“, grummelt Fatz. Ratz hat in der Küche irgendetwas Essbares gefunden und mit vollem Mäulchen bzw. Schnäuzchen spricht er nicht. Rabatz schaut mich aus seinen schwarzen Knopfaugen besorgt an und drückt damit so ein Sonst-sagst-du-mehr-Unbehagen aus. Er krabbelt an meiner Jacke hoch und zupft an meinem Ohr, knabbert an meinen Haaren, kratzt mich am Hals und lässt sich sonst noch Allerlei einfallen, bis sich meine Laune etwas bessert. „Den ganzen Tag muss ich mir Geächze, Gejammere, Gejaule, Gestöhne von Menschen um mich herum anhören, die der Meinung sind, dass es ihnen schlecht geht, weil alle anderen Menschen schlecht sind, und zwar zu ihnen. Kein Hans, kein Franz, kein Wie-auch-immer-sie-alle-Heißen nimmt Rücksicht darauf, dass mein Fassungsvermögen begrenzt ist. Im Moment jedenfalls bin ich randvoll. Noch eine Klage und ich laufe über“, sage ich. Kurzes betretenes Schweigen aller Anwesenden, dann Fatz: „Also den ganzen Tag nörgeln dich die Menschen nicht voll, jedenfalls nicht alle, nicht wirklich.“ „Stimmt“, gebe ich ihm nach erneutem Schweigen recht, „wirklich nicht, aber gefühlt.“ „Ja, teurer Freund, du hast sehr recht: Die Welt ist ganz erbärmlich schlecht, jeder Mensch ein Bösewicht. Nur du und ich natürlich nicht“, ertönt Ratz‘ Stimme aus der Küche, wo er in der Altpapiertüte – offenbar zwischen Feuilleton-Seiten – hockt und an irgendwelchen Gemüseresten, woher auch immer er die hat, knuspert. „Soll ich dieses Zitat auf die Menschen, die mir das Leben schwer machen, oder auf mich selbst beziehen?“, frage ich und bekomme von Ratz lediglich ein Schmatzen zur Antwort. Fatz knurrt: „Sowohl als auch“ und Rabatz wispert mir ins Ohr: „Ja, aber auf dich nur so ein bisschen... Ich würde jetzt gerne auch in die Küche… und mal schauen, was Ratz da zum Essen gefunden hat, aber... kann ich dich hier so alleine sitzen lassen?“ „Ja, ja, du kannst“, sage ich lachend. „Lauf nur! Mir geht es schon wieder gut.“

Eine Meise haben

„Na, ihr drei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle, ihren Käfig öffne, den Computer hoch fahre (Nein, hochfahre. Was sollte der bei dem Nachbarn über mir? Und wie sollte er fahren? Weder hat er Räder noch gibt es im Haus Fahrstuhl oder Treppenlift.) und entgegen sonstiger Gewohnheit nicht zuerst den E-Mail-Account öffne, sondern Blogs zu lesen beginne, „wollt ihr eine Meise haben?“ „Nö“, antworten alle drei wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen. „Na gut“, antworte ich, „dann seht sie euch gleich mir nur an“ und zeige ihnen Majas Blog. Drei Ratten hocken vor dem PC, starren gebannt auf den Bildschirm, würden wohl gerne kommentieren, aber ich lasse sie – gemein, wie ich bin – mit ihren Pfötchen nicht auf die Tastatur.

Mittwoch, 11. September 2013

Gedanken über eine Zahnbürste

„Na, ihr drei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, worüber ich mir heute wiederholt sinnlos Gedanken mache?“ „Ja“, antworten alle drei im Chor. „Aber wieso sinnlos und das auch noch wiederholt?“, fragt Rabatz und schaut mich irritiert bis neugierig an, während er in meinen Rucksack krabbelt und diverses Nicht-Essbares hinauswirft. (Vermutlich sucht er nach Essbarem.) „Wiederholt, weil sich die Frage seit mehreren Wochen aufdrängt“, antworte ich, „und sinnlos... also sinnlos ist die verdreckte Zahnbürste im Garten wahrscheinlich gar nicht, nur mir erscheinen meine Gedanken über sie sinnlos, da sie mich ja nicht betrifft.“ „Was macht man denn mit einer Zahnbürste, obendrein einer verdreckten, im Garten?“, ruft Ratz aus der Küche, wo er offenbar Essbares gefunden hat und so laut schmatzt, dass Rabatz aus meinem Rucksack springt und in die Küche eilt. „Eben darüber denke ich nach“, antworte ich. „Also ihr habt Sorgen!“, knurrt Fatz mit leicht ironischem Unterton und begibt sich ausnahmsweise auch aus dem Käfig und macht sich auf den Weg zur Küche. „Und um welchen Garten geht es überhaupt?“ „Einer der jungen Menschen, mit denen und für die ich arbeite, wohnt in einer Einfamilienhaus-Siedlung mit Garten ums Haus.“ „Und da liegen Zahnbürsten vor der Tür?“, fragt Rabatz. „Nein, nicht mehrere, nur eine“, sage ich. „Und die ist dreckig?“, vergewissert er sich. „Ja“, bestätige ich. „Logisch“, grummelt Fatz, „vom Putzen werden die Zähne sauber und die Bürste dreckig.“ „Ja, ja. Schon“, grinse ich „aber du weißt ja nicht, wie dreckig. Es handelt sich um klebrige schwärzlich glänzende Borsten an einer Bürste, an der auch der Griff keine herkömmlich definierbare Farbe mehr hat, und selbst wenn dieses Putzgerät aussähe, wie Zahnbürsten es üblicherweise tun, wäre immer noch unklar, warum es im Garten zwischen den Fahrrädern liegt.“ „Zwischen den Fahrrädern?“, horcht Ratz auf. „Oh, man“, stöhnt er, „Dann ist doch alles klar! Mit dieser Bürste putzt niemand seine eigenen Zähne, sondern jemand die Zähne vom Zahnkranz am Fahrrad.“ Zustimmend-überzeugtes Schweigen meinerseits, während ich drei Ratten beim Auslecken meiner am Morgen nicht abgewaschenen Müsli-Schüssel zusehe und -höre.

Sonntag, 8. September 2013

Wahlwerbung

„Na, ihr drei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, was ich heute gesehen habe?“ „Ja“, antworten alle drei im Chor. „Wahlwerbung von REWE.“ „Was ist denn das für eine Partei?“, fragt Rabatz. „Das ist eine Einzelhandelskette“, sage ich. „Die Werbung von denen hatten wir auch schon mal geschreddert im Käfig“, knurrt Fatz missmutig. „Und jetzt treten die zur Bundestagswahl an? Was versprechen die denn?“, wendet sich Rabatz neugierig an mich. „Dosenerbsen der Marke JA auf dem einen Plakat, Tomatenketchup der Marke JA auf dem anderen und niedrige Preise auf beiden.“ „Das ist doch keine Wahlwerbung, das ist langweilige Werbung für Produkte“, nörgelt Fatz genervt. „Fast“, gestehe ich, „aber sie bedient sich der Wahlkampfrhetorik und des Wahlplakatlayouts. Über dem Bild vom Produkt verspricht sie Sparpolitik, unter dem Bild fordert sie neben einem angekreuzten Kästchen: JA wählen!“ Ratz, der ein Stückchen Käse hinunterkauend unter meinem Bett hervorkommt, mischt sich ins Gespräch: „In gewisser Weise ist es dann doch Wahlwerbung. Bestimmt sind SPD und LINKE die Sponsoren. Die einen versprechen mit 8,5 bzw. 10 € pro Stunde Mindestlöhne, mit denen man mindestens nicht stirbt, und die anderen die Preise der Minderwertigkeit.“ Ich beschließe im Stillen, zukünftig mehr Sägespäne und weniger Zeitung in den Käfig zu geben, Fatz und Rabatz verdrehen die Augen. „Ratz, unser Philosoph! Na, wenigstens hungerst du nicht! Wo hattest du eigentlich den Käse her?“ Schweigen seitens des Angesprochenen. „Und außerdem“, fügt Fatz noch hinzu, „sind die Schwarzen wohl kaum besser.“ „Das sind sie definitiv nicht, aber sie versprechen wenigstens keine Besserungen und ersparen den Getäuschten die Enttäuschung“, komme ich Ratz zuvor. „Was ist mit den Grünen?“, fragt Rabatz. „Die sind auch nicht ehrlich, aber inzwischen wählbar“, sage ich. „Deshalb tragen ja jetzt die Piraten mit zur Undurchschaubarkeit bei.“ „Hm. Die Piraten. Sind das die Braunen?“ „Oh, nein!“, schreien Ratz, Fatz und ich entsetzt und wie aus einem Munde. „Die Braunen haben verschiedene Namen und sind alle miteinander indiskutabel, das heißt... diskutieren sollten wir über die schon, sie allerdings nicht wählen.“ Ratz wird nachdenklich. „Aber irgendwie piratig sind die doch“, spricht er seine Gedanken aus. „Sie kapern die Unzufriedenen und ziehen sie auf ihre Seite...“

Ergänzender Kommentar: Dass die gelben Hotel-Lobbyisten im Gespräch nicht vorkommen, ist bestimmt kein Zufall.

Samstag, 7. September 2013

Mehr Geld

„Na, ihr drei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, was komisch ist?“ „Ja“, antworten alle drei im Chor. „Seit ich den zusätzlichen Auftrag habe, ist es monatlich knapp ½ Tausender mehr auf unserem Konto. Wieso wirkt der sich eigentlich nicht auf unseren Lebensstandard aus?“ „Weil du geizig bist“, knurrt Fatz. „Hm“, murre ich. Rabatz kommt angelaufen, hangelt sich an meiner Kleidung bis ganz nach oben, steckt mir seine Schnurrhaare in die Nase, schmust und kuschelt. Ratz macht einen kurzen Abstecher in die Küche und kommt mit einer Brombeere im Mäulchen bzw. Schnäuzchen zurück, so dass er nicht sprechen, aber nonverbal bestens zum Ausdruck bringen kann: Du investierst in leckeres Essen. „Stimmt“, pflichtet Rabatz ihm bei, springt rasch von meiner Schulter und verschwindet auch mal eben in der Küche, wo kurz darauf polternd eine Sharon-Frucht zu Boden fällt... Irgendwann später stecke ich die beiden Obstsammler in den Käfig zurück zu Fatz, der den nicht verlassen hatte. „Du könntest uns Ratten-Premium für 2,99 € pro 100 Gramm gönnen“, nörgelt er, als ich Trockenfutter nachfülle. „Immer dieser billige Nager-Mix!“ „Woher weißt du, dass es Ratten-Premium gibt?“, erkundige ich mich. „Aus der geschredderten Futterhaus-Werbung, die du uns zum Nestbau in den Käfig geworfen hast“, höre ich ihn grummeln. „Denkst du, wir können nicht puzzlen?“

Freitag, 6. September 2013

Einleitung

Mein Name ist ein falsches Omen, mit dem gemeinen Peter Hartz habe ich nichts gemein. Allerdings lebe ich gemeinsam mit Ratten, die ihren Namen Ratz, Fatz und Rabatz alle Ehre machen. (Wenn sie z.B. meine unbezahlten Rechnungen fressen, dann mit Rabatz und ratzfatz. Denken die, auf diese Weise sparen wir Geld?) Nachdem ihre Vorfahren als Versuchsratten der Bayer Schering Pharma AG längst ausgedient haben, genießen sie nun ihren Lebensabend auch am Morgen. Aber das nur nebenbei. Zur Sache!

Vorab

Eine Danksagung: Ich danke Maja Wiens und ihren Links auf Klings bissige Satiren sowie Marc-Uwe Kling selbst, der mir mit seinen Geschichten über sich und sein Känguru auf die Sprünge ge- und zu meinen über mich und meine Ratten verholfen hat. (Ich nutze ihn lediglich als Inspiration, schreibe nicht ab, dazu sind meine Ratten viel zu anders als sein Känguru und ich bin viel zu anders als er.) Darüber hinaus gilt mein Dank natürlich eben diesen Ratten, die sich geduldig für mein Vorhaben instrumentalisieren lassen, und meinem Leben, das die Geschichten diktiert.