"Warum guckst denn du so
griesgrämig?", fragt mich Ratz, als ich - soeben nach Hause
gekommen - erst den Käfig und dann meinen Rucksack öffne, aus dem
ich käuflich erworbenes Non-Food ziehe und begutachte. "Ich
gucke nicht griesgrämig", sage ich. "Doch", behauptet
er. "Nein", erwidere ich. "Doch", beharrt er auf
seiner Sichtweise. "Nein", beteuere ich. "Na, wie
guckst du denn wohl, wenn nicht griesgrämig?", provoziert er
weiter. "Keine Ahnung", äußere ich gereizt. "Wie
soll ich das wissen? Ich betrachte doch gerade dieses Hemd, das ich
mir heute gekauft habe, und nicht mein Spiegelbild." "Du
widersprichst dir", merkt er an. "Gerade eben hast du noch
behauptet, nicht griesgrämig zu gucken, und nun sagst du, nicht
wissen zu können, wie du guckst." "Du nervst", weise
ich ihn zurecht. "Wenn du damit nicht sofort aufhörst, werde
ich vermutlich griesgrämig und gucke dann auch entsprechend."
"Du willst mir drohen?!", erbost er sich. "Ich will
nicht, aber...", hebe ich an, komme jedoch nicht weiter, denn
Dachs fällt mir ins Wort. "Man soll nie gegen den eigenen
Willen handeln", klugscheißert er. Ich spüre in mir so etwas
wie Gram, also Verärgerung aufkommen; ob Gries mit am Werke ist,
weiß ich kaum. Allerdings unterdrücke ich das Gefühl und
liebsäusele, so gut mir diese Verstellung gelingt: "Für den
Fall, dass mein Gesichtsausdruck meiner momentanen geistigen
Verfassung entspricht, gucke ich ungläubig." "Ungläubig?",
mischt sich Moritz ins Gespräch. "Wie das? Du glaubst nicht an
das Hemd, das du heute gekauft hast und gerade betrachtest?"
"Hemden haben nichts mit Glaube zu tun", knurre ich und
kann meine Verstellung nicht mehr gut aufrecht halten. Die
Vergrämung, so es dieses Wort gibt, gewinnt die Oberhand. Rabatz
rettet mich, indem er vom Thema ablenkt: "Mal etwas ganz
anderes: Wieso kaufst du dir eigentlich immer Hemden und nie Blusen?"
Damit spricht er eine meiner Schwächen an, wenngleich keine, die mir
schlechtes Gewissen bereitet, denn ich schade damit niemandem.
Dennoch rumort es kurz in meinem Inneren, bevor ich erkläre:
"Modedesigner können Frauen mit meinem Klamotten-Geschmack
irgendwie nicht leiden. Von Hemden für Männer gefällt mir das eine oder andere, von Blusen für Frauen keine." "Aber da du dir doch ein Hemd
gekauft hast, ich nehme an, eines der wenigen, die dir gefallen,
warum guckst du dann, während du es betrachtest, griesgrämig?",
fährt Ratz daraufhin fort zu stänkern. Damit bringt er das
sprichwörtliche Fass zum Überlaufen. "Ich gucke nicht
griesgrämig!", schreie ich. "Ach so, ja, ungläubig",
korrigiert er sich und tut dabei so, als sei er lediglich zerstreut
gewesen. "Atheistisch?", erkundigt sich Dachs. "Arrgh!
Ihr macht mich alle wahnsinnig!", schimpfe ich nun, wobei mein
Gram sich aber schon aufzulösen und in sein Gegenteil überzugehen
beginnt, dennoch verfinstert sich möglicherweise für einen Moment
mein Gesicht. "Sag ich doch! Griesgram. Du bist und guckst
griesgrämig", tut Ratz erneut kund. "Nein!",
widerspreche ich ihm lautstark. Moritz springt zu mir auf die
Schulter, schiebt mir eines seiner Pfötchen über den Mund und
bittet: "Reg dich doch nicht so auf, du Ungläubige! Was an
diesem Hemd glaubst du denn nicht?" "Endlich kommen wir auf
das eigentliche Thema zu sprechen", atme ich erleichtert auf und
antworte: "Den Pflegehinweis." Fünf Ratten springen auf
bzw. in das nämliche Hemd, suchen, finden und lesen den Hinweis.

"Ich finde den glaubwürdig",
bekundet Max. "Das ist doch der übliche Spruch, der in Sachen
eingenäht ist." "Das ist wahr", stimme ich zunächst
zu, bringe dann jedoch Zweifel an: "Ich glaube indes nicht, dass
es gelingt, an einem dunkel-hell-karierten Hemd wie diesem die
dunklen Karos getrennt von den hellen zu waschen. Oder lassen sie
sich lösen und nach dem separaten Waschen wieder anbringen?"
"Wohl kaum", kichern fünf Ratten wie aus einem Mäulchen
bzw. Schnäuzchen und unsere aggressiv-provokant-gereizte Stimmung
schlägt endlich in Heiterkeit um. Lachen macht hungrig. "Du
hast außer diesem unwaschbaren Hemd nicht zufällig auch etwas zum
Essen gekauft?" Ratz spricht diese Frage nicht aus, vielmehr ist
sie ihm anzusehen, kurz bevor er plötzlich in meinem Rucksack
verschwindet. "Für euch gibt's Birnen zum Abendbrot",
verkünde ich und füge belehrend hinzu: "Obst vor dem Verzehr
immer waschen." "Separat?", piepst Dachs. "Ja",
lasse ich mich auf seine Ironie ein, "nicht mit dem Hemd
zusammen." "Na, das ist ja ohnehin unwaschbar",
grummelt es aus meinem Rucksack. Auch ein leises Schmatzen lässt sich von dort vernehmen.