Samstag, 20. Februar 2016

Morgenritual

O-Ton Max, grummelnd, aber dennoch wohlgesonnen und relativ guter Dinge: "Mit 2 Jahren und 2 Monaten ist man wahrhaftig nicht mehr der Jüngste, hat bereits Atembeschwerden, Hinterhandlähmung und irgendetwas fließt aus dem Ohr, was dort nicht hingehört, aber man ist und isst, und lässt sich das allmorgendliche Ritual, die Reste aus Frauchens Joghurtbecher zu schlabbern, nicht nehmen."

Max isst, also ist er. Er ist, also isst Max.

Montag, 1. Februar 2016

Prokrastinationssüppchen zur Genesung

Da ich nach meinem dreitägigen Wohnungs-, ja größtenteils Bettarrest, den mir hohes Fieber auferlegt hatte, wenngleich noch immer hustend heute wieder ein Mensch bin, der sein Bedürfnis nach Nahrung spürt, schlurfe ich am Käfig vorbei zur Küche, um nach Essbarem Ausschau zu halten. Max fiept. Ich hebe ihn also aus dem Käfig und er begleitet mich. „Sieht nicht gut aus“, konstatiert er, sobald wir die Küche erreicht haben. „Sieht nach Das-Vertrocknete-oder-Verschimmelte-in-den-Müll-Werfen und Einkaufen-Gehen aus“, präzisiere ich. „Du willst einkaufen gehen?!“, ruft er entsetzt. „Mit dem WOLLEN ist das so eine Sache“, seufze ich, „ich WILL essen, einkaufen MUSS ich.“ Max weist mich mit einem Vorderpfötchenzeig zum Fenster darauf hin, dass es davor regnet. Ich schaue nach draußen, fluche leise, setze mich auf den Stuhl, stehe wieder auf, koche mir einen Kaffee, trinke zur Stärkung die doppelte der empfohlenen Tagesdosis Acerolasaft und fluche erneut. „Na ja“, versucht Max mich zu trösten, „vielleicht geht es auch ohne Einkauf.“ „Ich habe Hunger“, entgegne ich protestierend. „Ich auch“, gesteht er und krabbelt schmunzelnd neben dem Herd zwischen das nicht mehr ganz frische Gemüse. „Einiges davon kann man doch noch essen“, verkündet er, nachdem er zu knuspern begonnen hat. „Du, mit vollem Mund spricht man nicht“, ermahne ich ihn, „und mit vollem Mäulchen bzw. Schnäuzchen auch nicht, bitte sehr!“ Während er irgendetwas Unverständliches vor sich hin grummelt, hebe ich ihn nebst einem Möhrenstückchen nach unten auf den Fußboden und suche oben selbst weiter nach Verwertbarem. Aus der Zucchini schneide ich einige Stellen heraus, die noch genießbar zu sein scheinen, drei der Tomaten sind nicht schimmlig, alle Kartoffeln (zwei!) und ¼ der Möhren noch essbar und mehr Zwiebeln in Ordnung, als ich für die heutige Mahlzeit verwenden möchte. Zufrieden türme ich Zutaten auf dem Tisch auf und beginne zu schnippeln. „Kochst du daraus jetzt ein feines Süppchen?“, fragt Max. „Ja“, antworte ich, „Genesungssüppchen.“ Er legt seine Stirn zunächst nachdenklich in Falten, dann zunehmend provozierend. „Gehenehesuhungssühüppchehen“, wiederholt er das Wort gedehnt und geht dann ohne weitere Warnung sofort zum Frontalangriff über: „Wolltest du nicht eigentlich längst deine Steuererklärung geschrieben haben?“ Sehr froh, nicht einkaufen gehen zu müssen, vor allem, weil es regnet, bin ich nicht gewillt, mich stattdessen von meinem Haustier ärgern zu lassen, nicke nur kurz bestätigend und zähle dann mit aller verfügbaren Ruhe und Gelassenheit Argumente auf, die für mein Tun sprechen: „Erstens würden Einkaufen und anschließendes Kochen zusammen viel länger dauern als Kochen ohne vorheriges Einkaufen, zweitens müssen Lebewesen sich ernähren, um am Leben zu bleiben, und drittens ist der Aufschub der Steuererklärung meiner noch nicht ganz abgeklungenen Krankheit anzulasten.“ „Pah!“, winkt Max ab. „Letzteres glaubt dir kein Mensch.“ „Oh, doch“, behaupte ich, „der eine oder andere schon." Dann wiegele ich ab: "Aber zum Glück bist du ja kein Mensch, sondern eine Ratte.“ Darauf reagiert Max mit einer seiner allerseltensten Reaktionen: Er schweigt. Weil er gekränkt ist oder fühlt er sich geschmeichelt? Sein Gesichtsausdruck erteilt keine Auskunft. Ich brate die Zwiebeln in etwas Öl an und anschließend hilft er mir still, das zerschnippelte Gemüse hinzuzufügen. Ich fülle mit Wasser auf, er findet sogar noch einen Brühwürfel. Alles gut! Was für ein Genesungssüppchen! Kochen kann es ohne unser Zutun. Wir warten, sitzen uns dabei gegenüber und schauen uns an. „Duhu“, sage ich nach einer Weile stummer Warterei, „wenn du gerne möchtest, darfst du unser Süppchen Prokrastinationssüppchen nennen. Finde ich okay.“ Max lacht und jubelt: „Welch tolles Wort für eine tolle Mahlzeit!“ Bald schon steht sie duftend auf dem Tisch, Max und ich gesellen uns zu ihr und alles andere duldet Aufschub.