Mittwoch, 30. Juli 2014

Dienstag, 29. Juli 2014

Neues Zuhause


"Na, wie findet ihr euren neuen Käfig?", frage ich die fünf Ratten. Rabatz und Moritz wickeln sich daraufhin in Zeitungspapier ein und lassen mich hinsichtlich ihrer Meinung im Unklaren. Max und Ratz antworten, während sie noch mit der Inspektion beschäftigt sind, etwas zögerlich: "Interessant",


woraufhin Max sich allerdings in das vertraute UFO kuschelt, das als Inventar mit umgezogen ist, und von dort aus ergänzt: "Gemütlich."


"Man muss sich ziemlich den Hals verrenken, wenn man an das Futter auf einer anderen als der Etage, auf der man gerade sitzt, gelangen will", nörgelt Ratz


und als Max das UFO verlässt und nach draußen schaut, gesellt sich Dachs zu ihm. Jedoch stellen beide ernüchtert fest, dass die Aussicht unverändert ist. 


"Wenn ihr neue Umgebung wollt, müsst ihr zu einem anderen Menschen in dessen Wohnung ziehen", erkläre ich und füge schnell hinzu: "Dann wäre ich aber sehr traurig." "Wir auch!", piepst es erschrocken aus allen Ecken des neuen Käfigs - deutlich geräumiger als ihr bisheriger, der aus mehreren kleinen zur Marke Eigenbau zusammengebastelt war. "Na, dann ist ja gut", beruhige ich uns und reiche zum Einzug Brot und Salz.

Sonntag, 27. Juli 2014

Fisch - lebend, küchenfertig, geräuchert

"Na, ihr fünf", frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, "wollt ihr wissen, wo ich heute war?" Die fünf liegen platt wie Flundern und reagieren kaum spürbar. Nun ja, ist ein heißer Tag heute. Eine gefühlte Ewigkeit später, als ich meine Frage schon fast vergessen habe, piepst Moritz plötzlich: "Wo warst du heute?" "In einem kleinen mit EU-Fördermitteln aufpolierten Touristendorf südlich von Berlin", antworte ich. "Das besondere Highlight sind nicht totzukriegende Fische. Nach dem Angeln, also nachdem man ihnen das Wasser als ihre Existenzgrundlage bereits entzogen hat, leben sie weiter und - des Wunders nicht genug - auch das Räuchern bis zur Küchenfertigkeit bringt sie nicht um. Küchenfertig geräuchert werden sie lebend verkauft." Dachs, Max und Moritz schauen sich grinsend an und beginnen, leise miteinander zu tuscheln. Rabatz wirft mir einen äußerst zweifelnden Blick zu und Ratz grummelt zynisch: "Du erwartest nicht von uns, dass wir dir dieses Märchen glauben, oder?" "Ich glaube das Werbeversprechen eigentlich selbst nicht", sage ich und kann mir ein Lachen kaum verkneifen, "aber schaut doch." Ich halte ihnen ein Photo hin, sie überwinden ihre hitzebedingte Trägheit, kommen heran und lesen:

Trebbin Blankensee

"Du musst aufhören, Verkaufsversprechen zu photographieren", kommentiert Rabatz. "Ja", fallen ihm seine drei Kinder ins Wort, "sonst werden wir noch verrückt." "Hast du lebenden Räucheraal gekauft?", erkundigt sich Dachs. "Lebenden was?", entfährt es mir entsetzt. "Na ja", rechtfertigt er sich provokant, "als Vegetarierin isst du doch lediglich keine toten Tiere." "Ihh!", kreische ich, "lasst uns dieses Gedankenexperiment bitte augenblicklich abbrechen!" "Na gut", geben Max und Moritz sich wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen geschlagen, springen synchron aus dem Käfig und umkreisen schnuppernd die Plastiktüte, die ich mitgebracht und auf dem Boden abgestellt habe. "Gemüse", komme ich ihrer Frage zuvor. "Regional, saisonal, bio. Gekauft von Bauern, die ihr Geerntetes auch selbst essen, also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht giftig." Die Ratten nicken allesamt zustimmend.

Samstag, 19. Juli 2014

Dosis sola venenum facit - Allein die Menge macht das Gift

"Na, ihr fünf", frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, "wollt ihr wissen, was ich heute mitgebracht habe?" "Hoffentlich etwas Leckeres", sagt Dachs mürrisch und starrt in den leeren Fressnapf. Ich enttäusche ihn mit den Worten: "Nee, nur photographierte Werbung über vermeintlich Leckeres." "Zeig mal!", verlangt Max und ich zeige.

S-Bahnhof Berlin Bornholmer Straße, auf dem
Bahnsteig zu den Zügen in Richtung Süden

"Warum hast du denn den Quatsch photographiert? Was ist daran interessant?", empört er sich. "Der Dilettantismus", erkläre ich. "Viele Fragen wirft er auf." "Welche denn?", erkundigt sich Moritz und ich beginne: "Was soll ich aus dieser drolligen Kioskfensterbeschriftung schlussfolgern? Die hier angebotenen Bouletten und Bratwürste sind lecker, Wiener, Bockwürste und Schinkenknacker indes nicht? Heute sind alle Fleischwaren lecker, was man bezüglich der Bouletten und Bratwürste lediglich ausdrücklich dazu schreibt, weil dem sonst nicht so ist? Bouletten und Bratwürste sind per se unlecker, man bewirbt sie hier jedoch als lecker, damit irgendein Volltrottel sie dennoch kauft? In der Imbissbudenverordnung steht, Bouletten und Bratwürste dürfen maximal 1,30 € kosten, man will sie aber teurer verkaufen, also benennt man sie um in leckere Bouletten und leckere Bratwürste? ..." "Hör auf mit deinen Vermutungen!", fordert mich Rabatz auf. "Bring bitte morgen oder übermorgen, wenn du das nächste Mal an dem Kiosk vorbeikommst, einfach von jedem Fleisch eins mit. Wir beißen uns durch und sagen dir dann, was du gekauft hast." "Du spinnst wohl! 8,10 € für einen Fleischberg!", entfährt es mir entsetzt und leise füge ich - grinsend - hinzu: "Den Blick des Verkäufers möchte ich allerdings sehen, wenn ich ihm eine leckere Boulette, ein Paar Wiener, eine leckere Bratwurst, eine Bockwurst, eine Schinkenknacker aufzähle. Er dürfte es nicht gewohnt sein, dass Kunden ihren Wochenendeinkauf bei ihm erledigen." "Dann hätten diese Werbeheinis ja gewonnen! Genau das wollen die doch, dass man kauft", grummelt Ratz vor sich hin. "Ein Werbeheini war hier ganz sicher nicht am Werk, eher der Kioskbetreiber persönlich", gebe ich mit leicht ironischem Unterton zu bedenken. "Nun ja", seufzt Dachs, kommt jedoch nicht weiter, denn Rabatz fällt ihm ins Wort: "Man fragt sich in der Tat besorgt, was die schwarzen Trauerränder um die beworbenen Esswaren herum zu bedeuten haben. Irgendetwas stimmt nicht. Vielleicht sind giftige Geschmacksstoffe drin, die ekliges Essen lecker schmecken lassen." "Alles ist Gift, es kommt nur auf die Dosis an", berufe ich mich auf Paracelsus und schlage sogleich vor: "Wir sollten uns jetzt Essen, das gut tut und schmeckt, in einer Dosis zuführen, die sättigt, aber nicht tötet." Fünf Ratten lecken sich ihre Mäulchen bzw. Schnäuzchen und huschen an mir vorbei in die Küche.

Montag, 14. Juli 2014

Kernenergie

Innerer Monolog von Ratz:


Frauchen hat doch tatsächlich einige vitamin-, mineral- und ballaststoffhaltige Kerne - sieht nach solchen aus Sonnenblumen, Pinienzapfen und Kürbissen aus - auf den Küchentisch und nicht in ihren Salat gestreut.


Lecker! Knusper, knusper!


Ich kann jedoch unmöglich alle auf einmal essen. Die für später habe ich unten im Herd versteckt. Ob sie das merkt?

Samstag, 12. Juli 2014

Pro und contra Bürgerarbeit

"Na, ihr fünf", frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, "wollt ihr wissen, worüber ich mich heute aufrege?" "Na klar", antworten sie wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen. "Es gibt ab nächstes Jahr die Bürgerarbeit nicht mehr", sage ich. "Du hast doch heute noch gar keine Abendnachrichten gesehen", erwidert Dachs spitz. "Woher weißt denn du das jetzt schon?" "Steht in fast allen Zeitungen", entgegne ich. "Wenn man, wie ich es heute getan habe, zur Stoßzeit U- oder S-Bahn fährt, ist das so eine Art Presseschau, man liest hier ein Zipfelchen Berliner Morgenpost, da einen Ausschnitt Süddeutsche, erhascht erst ein Stückchen Junge Welt, dann etwas Frankfurter Allgemeine... je nachdem, worin die Menschen um einen herum so blättern." "Aber...", und Moritz macht ein sehr nachdenkliches Gesicht zu seinem Einwand, "hast du nicht bisher stets kritisiert, Bürgerarbeit sei erstens pure Ausbeutung und integriere zweitens keinen Langzeitarbeitslosen in den 1. Arbeitsmarkt, sondern vernichte stattdessen reguläre Arbeitspätze?" "Doch", bekräftige ich. "Und warum beklagst du dann ihre Abschaffung?", bohrt er nach. "Wegen der Begründung dafür und der Folgen davon", erkläre ich. "Lass mich raten!", piepst Max aufgeregt. "Sie wird als zu teuer befunden." "Akkurat", gebe ich ihm recht und führe weiter aus: "Außerdem sind etliche der sozialen und kulturellen Projekte, die derzeit noch von Bürgerarbeitern über Wasser gehalten werden, dann von Schließung bedroht." "Wenn sie doch aber zu teuer ist...", gibt Rabatz vorsichtig zu bedenken. "Pah! Zu teuer!", nimmt Ratz mir energisch die Worte aus dem Mund. "Die Abgeordneten, die sich die Höhe ihres Arbeitsentgeltes selbst festlegen, statt sie wie jeder andere Arbeitnehmer vor Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Arbeitgeber - in ihrem Falle dem Volk - auszuhandeln, erhöhen sich ihre Diäten auf 9000,- € monatlich und 900,- €, also gerade mal 1/10 davon, sollen zu teuer sein?! Die Bürgerarbeiter, die diese 900,- € dann nicht mehr bekommen, werden Arbeitslosengeld II beziehen, was überhaupt nur für diejenigen ohne Kinder im eigenen Haushalt weniger ist. Die Väter und Mütter unter denen, die z. Zt. noch für monatlich 900,- € Bürgerarbeit verrichten, müssen jetzt schon beim Jobcenter betteln, trotz Arbeit. Sie lassen ihr Einkommen auf das aufstocken, was von Experten, die davon nicht leben müssen, als Existenzminimum errechnet wurde..." Damit er sich nicht derart in seine Wut hineinsteigert, dass er Bauchweh von ihr bekommt, unterbreche ich ihn anerkennend: "Recht hast du, Ratz. Besser könnte ich es nicht ausdrücken. Aber woher weißt du so genau, was ich sagen wollte?" "Ich kenne dich seit nunmehr 2 1/2 Jahren; so lange lebe ich nämlich schon", nuschelt er verlegen. Ich nehme ihn auf den Arm, küsse ihn auf die Nase und flüstere ihm ins Ohr: "Da du mich erstaunlich gut kennst, weißt du also auch, wie sehr ich Diäten ablehne. Lass uns nachschauen, was wir so an Kalorien im Hause haben." Er dreht sich zu seinen Artgenossen um und ruft: "Es gibt was Leckeres!" Vier Ratten galoppieren mehr, als dass sie liefen, in Richtung Küche, jedenfalls verursachen sie lautes Getrappel. Ratz wird behutsam von mir getragen und auf den Kartoffeln abgesetzt.

Sonntag, 6. Juli 2014

Dickes Fell


"Na Dachs", sage ich zu diesem sich gründlich putzenden Tier, "eine Schicht Winterspeck von recht beeindruckender Dicke hast du dir zugelegt. Ist doch aber gar nicht Winter!"


Er unterbricht seine Körperpflege, lässt sich nach vorn fallen, spitzt sein Mäulchen bzw. Schnäuzchen, an dem noch Joghurt-Reste vom Frühstück kleben, denn schließlich ist er mit dem Putzen nicht fertig, und erwidert: "Das ist kein Speck, sondern Fell. Dickes Fell braucht man auf dieser Welt, um gegen Vorwürfe aller Art, z.B. den, man sei dick-speckig, immun zu sein."