Montag, 31. März 2014

Rattenschule

"Sagt mal, ihr drei", frage ich Rabatz, Max und Moritz, nachdem sie von ihrem Spaziergang durchs Zimmer in den Käfig zurückgekehrt sind, "habt ihr eine Ahnung, wo Dachs ist?" "Vorhin habe ich ihn zwischen den Geschenkpapierrollen erblickt", antwortet Moritz. "Ich habe ihn seit unserem Fußnussspiel in der Küche nicht mehr gesehen", kichert Max. "Seit eurem was?", erkundige ich mich. "Fußnussspiel", wiederholt er und führt dann aus: "Menschen nehmen Fußbälle, aber die sind für uns Ratten zu groß." Ich nicke verstehend. Rabatz spitzt seine Ohren, deutet mit einem seiner Vorderpfötchen auf die zum Papierkorb umfunktionierte Trommel aus der alten Waschmaschine und flüstert: "Seid einmal alle still. Da hinten knistert es." Recht hat er. Dachs wühlt zwischen den Papierschnipseln herum.


"Suchst du etwas Bestimmtes?", will ich wissen. "Ja", sagt er betreten, "das fehlende Stück vom Korea-Artikel. Du hast uns nur den Mittelteil zerknautscht in den Käfig geworfen." "Hm", druckse ich herum, "ich bin mir nicht sicher, dass Anfang und Ende des Artikels in der Papiertrommel liegen. Hier werfe ich eigentlich nur so kleine Schnipsel hinein, ganze Zeitungsseiten in die Altpapiertüte in der Küche." Ich trage ihn in die Küche, wo wir in die Altpapiertüte schauen und fündig werden. "Aber eines interessiert mich jetzt doch noch", wende ich mich an ihn, bevor ich ihn nebst Artikelanfang und -ende zu den anderen in den Käfig setze. "Liest du neuerdings auch Zeitung?" "Na ja", wispert er verlegen, "ich versuche es. Ratz erklärt immer alles. Er hilft mir." "Aha", bricht es laut aus mir heraus, "aber nicht beim Zusammensuchen der Lektüre! Wo steckt der eigentlich?" Rabatz zeigt mit einem seiner Vorderpfötchen ins UFO, wo Ratz schläft, während Max und Moritz auf ihm herumklettern.


"Wahrscheinlich bin ich ein anstrengender Schüler", stammelt Dachs. "Das ist in Ordnung so", tröste ich ihn. "Ein unanstrengender Schüler wäre unkritisch und vorauseilend gehorsam angepasst." Er grinst verschmitzt.

Mittwoch, 19. März 2014

OECD am Bahnhofskiosk

"Na, ihr fünf", frage ich, als ich nach Hause komme und mich in den Sessel plumpsen lasse, nachdem ich den Käfig geöffnet habe, "wollt ihr wissen, warum mit mir heute nichts mehr anzufangen ist?" Fünf Ratten strecken mir neugierig ihre Köpfe aus dem Käfig entgegen, als wollten sie sich vergewissern, dass mit mir heute tatsächlich nichts mehr anzufangen ist. Dann tuscheln sie erst miteinander und strecken mir anschließend wieder ihre Köpfe entgegen, diesmal eher besorgt. "Na, ja", sage ich nach ein paar Minuten des Schweigens, "so schlimm ist es nun auch nicht" und füge nach erneutem Schweigen hinzu: "Ich brauche nur mal ein paar Minuten lang nichts." Der Ausdruck in den Blicken der fünf Ratten wechselt von besorgt zu erstaunt. Dann erkundigt sich Moritz, indem er aus dem Käfig springt und über den Tisch auf mich zugeschlichen kommt: "Du brauchst wirklich nichts?" Ich nicke. Max gesellt sich zu Moritz und behauptet: "Doch, du brauchst etwas." "Nö", widerspreche ich, "für ein paar Minuten bitte nichts." "Aber das geht doch gar nicht", protestiert jetzt Dachs, der zunächst noch im Käfig hocken bleibt. "Stimmt", gebe ich mich geschlagen, "aber nur, wenn man fünf Ratten hat." "Was soll das denn heißen?", grummelt Ratz vergnatzt aus der hintersten Käfigecke und arbeitet sich bis zur geöffneten Käfigtür vor. "Och", antworte ich, "das muss ich jetzt nicht erklären." "Doch!", behauptet Rabatz, der nun auch aus dem Käfig schaut. "Arrgh!", schimpfe ich. "Mit fünf Ratten ist halt immer etwas los. Nichts gibt es nicht." Ein gedehntes "Ach soo" dringt aus fünf Ratten-Mäulchen bzw. Schnäuzchen gleichzeitig, "nichts Ernstes also." Ich gebe mir Mühe, meinem Gesicht einen genervten Ausdruck zu verleihen. "Und", erkundigt sich Rabatz kurz darauf, "warum ist mit dir heute nichts mehr anzufangen?" Ich spucke die Stichworte "Hexenküche in meinem Kopf" und "Chaos" aus. Das verstehen die drei Kleinen nicht, also erkläre ich: "Mit öffentlichen Verkehrsmitteln war ich unterwegs. Öffentliche Verkehrsmittel sind Orte, an denen Milliarden von Ereignissen, die alle nicht zusammenpassen, aber dennoch gleichzeitig stattfinden, auf einen einprasseln. Die Menge der Leute in den Fahrzeugen setzt sich durch Aus- und Einsteigende fortwährend neu zusammen und niemand wahrt einen Mindestabstand zu den anderen um sich herum. Ein genervter Vater hat ein Kind auf dem Arm, das nicht nur weint, sondern dem Geruch nach zu urteilen auch in vollen Windeln steckt, zwei Gymnasiasten unterhalten sich über ihre Zukunftspläne, wenn's mit Schauspiel nicht klappt, dann machen sie vielleicht irgendetwas Pädagogisches, ein Krawatten-Typ, der wie Sparkasse aussieht, öffnet einen wichtig scheinenden Aktenkoffer, der jedoch nur die BILD und eine Brotdose enthält, unentwegt klingeln Handys, worauf deren Besitzer reagieren, indem sie die Anrufe annehmen und unsichtbaren Gesprächspartnern lautstark berichten, auf welchem Streckenabschnitt sie gerade sind und wie lange ihre Fahrt voraussichtlich noch dauern wird, Parfümwolken mischen sich mit denen von Döner Kebap, Verkäufer von Straßenmagazinen brüllen ihre Texte, Neon-Lampen flackern... um nur einiges zu nennen." "Hm", murmelt Moritz, "klingt irgendwie nach Stress" und Max nickt. "Aber", fahre ich fort, "zum krönenden Abschluss gab es dann noch etwas Beeindruckendes." Dachs, Rabatz und Ratz springen aus dem Käfig und lassen sich neben Max und Moritz vor mir auf dem Tisch nieder. Fünf Ratten schauen gebannt auf mich, als wäre ich eine Kinoleinwand. "Nun erzähle schon!", quängeln sie. Ich spanne sie noch einige Sekunden auf die Folter, dann beginne ich: "Nachdem ich aus der U-Bahn ausgestiegen war, hörte ich am Bahnhofskiosk, wie eine Kundin zum Verkäufer sagte: "Zickzack schlimm OECD blau doppelt." Ich spüre ratlose Rattenblicke auf meinen Lippen. "Die Frau wollte irgendetwas Schlimmes kaufen", vermutet Max. "Eindeutig", fügt Dachs hinzu, "und zwar doppelt." "Doppelt schlimme OECD", knurrt Ratz. "OECD - Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das sind die, die in ihrer neuesten Studie vor einer Rentner-Schwemme warnen." "Oh, Ratz", flüstere ich vor mich hin. "Du hast die Zeitungsschnipsel, die ich Euch zum Nestbau in den Käfig gestopft habe, mal wieder sehr gründlich gelesen. Vielleicht etwas zu gründlich. Fühlst du dich als Ratten-Rentner persönlich angegriffen?" Ratz schüttelt den Kopf, wirkt aber dennoch bedrückt. Rabatz kehrt zum Ausgangspunkt zurück: "Noch einmal zu deinem Erlebnis: Die Frau wollte doch nicht wirklich die OECD kaufen." "Natürlich nicht", pflichte ich ihm bei. "Sie hat undeutlich gesprochen und obendrein in den Alltagslärm hinein genuschelt. Dennoch hat der Verkäufer sie verstanden, wie auch immer ihm das gelungen ist." "Was hat er ihr denn verkauft?", erkundigt sich Rabatz. "Tabak, Filter und Paper", zähle ich auf. "Also doch schlimm", kommentiert Ratz.

Link: http://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/neue-oecd-studie-vergreisungs-schock-in-deutschland-rentner-schwemme-bedrohlicher-als-finanzkrise_id_3698471.html

Samstag, 15. März 2014

Kartoffelsalat

Rabatz: "Frauchen hat den Deckel vom Kartoffelsalat liegen und die Käfigtür offen gelassen... Kommt alle schnell!"

Rabatz und seine 3 Söhne - Moritz steckt im Körbchen

Dachs und Moritz wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen: "Hm. Lecker!"

Dachs, Max und Moritz

Ratz: "Nicht nur der Deckel liegt herum. Ich habe die Schale erobert."

Ratz

Freitag, 14. März 2014

Körpersprache

Mir entgeht nichts, ich bin mit allen Sinnen auf Empfang und jederzeit zum Sprung bereit.

Dachs

Freitag, 7. März 2014

Rabatz und Moritz


2 Gesprächsvarianten:

- Sind wir nicht hübsch?
- Was soll die Verneinung? Ihr seid hübsch!

- Wir sind hübsch, nicht wahr?
- Nicht wahr? Doch. Wahr.

Dienstag, 4. März 2014

Wissensdurst und Käsehunger

"Bist du jetzt endlich fertig?", fragt Moritz, indem er auf den Schreibtisch springt und mir vorwurfsvolle Blicke zuwirft. "Wie fertig? Was meinst du? Womit fertig?", reagiere ich mit Gegenfragen. "Na, mit dem, was du hier gerade machst", antwortet er. "Also ich meine, den merkwürdigen ausgekippten Krimskram hier angucken kannst du ja meinetwegen noch den ganzen Abend und die halbe Nacht, wenn das für dich wichtig ist, aber mit diesem Sachen-Rumschmeißen und Fluchen... Bist du damit jetzt fertig?" "Ich schmeiße keine Sachen rum", rechtfertige ich mich. "Mir sind Bücher runtergefallen, und zwar ziemlich schwere und obendrein sechs Stück auf einmal und - besonders ärgerlich - genau auf den Drucker, so dass ich momentan nicht genau weiß, ob der fortan noch drucken wird. Außerdem ist die Kiste mit dem Krimskram umgekippt und auf eine der Reißzwecken davon, die jetzt auf dem Fußboden liegen, bin ich getreten... Ich werde wohl noch fluchen dürfen!"


"Ja, ja", gibt er klein bei, "aber doch nicht so laut." "Bücher fallen lassen und fluchen kann man nicht leise", sage ich. "Aber nun schaue ich mir ja nur noch an, was außer Reißzwecken, Büro- und Musterbeutelklammern, Pinnwandnadeln u.ä. so aus der Krimskram-Kiste gerutscht ist. Das macht keinen Krach." "Was ist es denn?", erkundigen sich Dachs und Max, die nun ebenfalls auf dem Tisch sitzen, neugierig wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen.


"Bleistiftstummel, DDR-Briefmarken, gebastelte Geschenke von meiner einzigen Lieblingstochter aus einer Zeit, als sie noch recht klein gewesen sein muss, denn die Bilder, die sie mir ausgeschnitten hat, stammen aus der Bummi-Zeitschrift für Vorschulkinder", antworte ich.


"Was sind DDR-Briefmarken?", wollen sie wissen. "Briefmarken, die zwar einen aufgedruckten Wert haben, aber heute nicht mehr auf einen Brief geklebt werden dürfen, d.h., aufkleben dürfte ich sie wahrscheinlich, müsste dann aber noch bundesdeutsche dazukleben, so der Brief befördert werden soll. Briefmarken aus einem Land, das es nicht mehr gibt, sind nicht gültig", erkläre ich. "Werden aber mal wertvoller als ihr aufgedruckter Preis", belehrt Ratz, der sich zu uns gesellt. "Hm, vielleicht", stimme ich ihm halb zu. "Und wo hast du die her?", bohren Dachs und Max weiter. "Na, aus der DDR. Da habe ich früher gelebt", gebe ich Auskunft. "Wirst du dann auch mal wertvoll?", setzt Moritz das Frage-Spiel fort. Ich verneine kopfschüttelnd und füge grinsend hinzu: "Aber ich bin gültig." "Endgültig?", provoziert Ratz und mit "Ja, bis an mein Ende" lasse ich mich auf sein Wortspiel ein. "Och", mault nun Rabatz, der bisher schweigend zugehört hat, aus der entgegengesetzten Zimmerecke, "jetzt tritt auch noch der Tod ins Gespräch! Warum guckst du so traurig? Wegen des kaputten Druckers?" "Nein", beschwichtige ich ihn. "Ob der kaputt ist, wissen wir doch noch gar nicht. Gucke ich traurig? Ich bin nachdenklich. Ich erinnere mich an die Zeit, als meine Kinder für mich u.a. Bilder aus der Bummi-Zeitschrift ausgeschnitten und damit Streichholzschachteln beklebt haben."


"War es damals schöner?", forschen Dachs und Max, die heute irgendwie synchron sprechen, weiter. "Nicht immer", sage ich. "Manchmal haben die Kinder sich gestritten und manchmal haben sie, wenn ich nicht da war, Dinge getan, die ich nicht wissen sollte, irgendwann aber doch wusste, zumindest die meisten. Manchmal wollte ich, dass sie Dinge tun, die sie nicht tun wollten, dann haben sie sich nicht untereinander, sondern mit mir gestritten... Aber wenn ich heute so Gebasteltes wie Schmuckkästchen aus Streichholzschachteln oder den Topflappen aus Wischtüchern sehe, dann fällt mir das Schöne ein." "Topflappen aus Wischtüchern?" stellt Rabatz meine Worte in Frage. "Ja", bestätige ich sie ihm, "sollte dir eigentlich schon mal aufgefallen sein. Den hat mein einziger Lieblingssohn im Sachkundeunterricht hergestellt, 2. Klasse. Hängt in der Küche über dem Herd." "Oh, lasst uns gleich mal alle in die Küche gehen!", rufen die drei Rabatz-Kinder. "Da gibt es doch nicht nur Topflappen!" "Nö", bestätige ich. "Auch Käse." Fünf Ratten - 1 Opa, 1 Mann in seinen besten Jahren, 3 jugendliche Jungs - rennen in die Küche und ein Mensch - weiblich, aus dem Lebensabschnitt nach den so genannten besten Jahren das Beste machend - bemüht sich, mit ihnen Schritt zu halten.

Montag, 3. März 2014

Sonntag, 2. März 2014

Kinderspiele

Moritz steckt im fellgefütterten Handschuh - ist bestimmt kuschelig und gemütlich darin - und wird von Dachs hin und her gerollt.





















Er wird des Spiels jedoch recht bald überdrüssig und kriecht aus dem Versteck. Gerollt zu werden ist womöglich doch nicht so gemütlich, jedenfalls nicht auf Dauer. Vielleicht ist ihm schwindelig?