Samstag, 31. Mai 2014

Guten Morgen!

Max und Moritz

- Gibt's was Neues?
- Weiß nicht. Wahrscheinlich. Lasst mal Radio einschalten.
- Gibt's Käse?
- Ja. Alten.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Wider die Antriebslosigkeit

"Los, Rabatz, beweg dich!", sage ich zu diesem faul im Käfig liegenden Tier durch die geöffnete Tür und schubse es mit der Hand nach draußen. "In letzter Zeit verlässt du den Käfig fast gar nicht mehr und bewegst dich in ihm nur noch zwischen Futternapf, Trinkflasche und Schlafplatz. So geht das nicht!" "Wieso nicht?", fragt er. "Wieso nicht?", äffe ich ihn nach, hebe ihn auf den Fußboden, was früher nicht nötig gewesen wäre, denn kaum war der Käfig offen, ist er unaufgefordert hinausgesprungen, und antworte ihm: "Weil Bewegungsmangel dir schadet." "Soso", räuspert er sich und wirft mir von schräg unten aus dem Augenwinkel einen Blick zu, der weitere Worte unnötig werden lässt.

Mister Argwohn?

NSA? Oh no, the rat is watching you


Rabatz

Mittwoch, 28. Mai 2014

Essen bei Licht

"Was zum Teufel tut sie nun schon wieder?", höre ich die Ratten tuscheln, die auf dem Tisch hinter mir hocken und ihre Köpfe zusammenstecken. "Ich putze das Fenster", gebe ich Auskunft. "Mit dem Staubsauger?", entsetzen sie sich im Chor. "Ja, klar", sage ich und drehe mich zu ihnen um. "Womit denn sonst?" Fünf Ratten schauen mich vollkommen entgeistert an. Mir scheint, ich muss etwas erklären. Ich hole also tief Luft und führe aus: "Ich sauge die verstaubten Spinnweben ab. So macht man das. Habe ich kürzlich in Heiko Wernings Wedding-Geschichte "Fenster putzen" gelesen. Man saugt seine Fenster und schon stellt man fest, so dunkel, wie Menschen gerne behaupten, ist es im Erdgeschoss überhaupt nicht." "Und wozu das Ganze? Was haben wir davon?", erkundigt sich Moritz. "Wir können aus dem Fenster schauen und sehen den Ausschnitt Welt davor farbig", antworte ich. "Den Typen von schräg gegenüber jenseits der Straße, der den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als aus seinem Fenster heraus durch Fenster diesseits der Straße in hiesige Wohnungen hinein zu glotzen, will ich überhaupt nicht in Farbe sehen", nörgelt Ratz. "Und ich den Regen nicht", fügt Rabatz grummelnd hinzu. Auf Moritz' berechtigten Einwand, dass Wasser ohnehin farblos sei, geht irgendwie niemand ein. "Lasst uns was Schönes machen", schlägt Max indessen vor. "Was genau?", hake ich nach. "Käse essen!", piepst er. "Guter Vorschlag!", lobt ihn Dachs. "Blöder Vorschlag", widerspreche ich. "???", fragen mich wortlos fünf Rattenaugenpaare. Daher präzisiere ich: "Es ist kein Käse da." "Etwas anderes als Käse essen", korrigiert Max sich sogleich und ich ergänze: "Bei lichtdurchlässigem Fenster." Ratz empfiehlt: "Lass doch die Jalousie herunter, dann kann der von da drüben uns beim Essen nicht zugucken." "Guter Vorschlag!", findet Max und will von mir wissen: "Was haben wir denn?" "1 Kanten Vollkornbrot, 1 Rest Zaziki, 1/2 Dutzend Tomaten, 1 Zipfel Gurke, 2 Kekse", zähle ich auf. "Hurra!", ertönt ein fünfstimmiges Freudengeschrei und während ich noch damit beschäftigt bin, die Jalousie herunterzulassen, stürmen die Ratten in die Küche. Nun ja, der Ratten-Rentner Ratz ist nicht mehr gar so stürmisch.

Heiko Werning: Im wilden Wedding. Zwischen Ghetto und Gentrifi-
zierung. Geschichten, Edition Tiamat, 1. Auflage, Berlin 2014, S. 21.

Dienstag, 27. Mai 2014

Moritz in G.s Jackentasche

Ich bin (fast) überhaupt nicht zu sehen.

Na, so ein bisschen kann man ja mal herausgucken...

... Dann noch ein bisschen weiter...

... Und schließlich mit dem ganzen Kopf.


Der Dialog dazu:

- Mensch Moritz, du olle Angstratte!
- Ich bin kein Mensch!
- Äh, stimmt... Ratte Moritz, du olle Angstratte!
- Ich bin nicht oll!
- Äh, stimmt... Moritz, du niedliche, kleine Angstratte, sei doch nicht so ängstlich!
- Wie soll ich das denn machen?
- Hm... Weiß ich auch nicht. War 'ne unüberlegte Aufforderung. Tut mir leid.

Freitag, 23. Mai 2014

Kein Rattenwohlfühlparadies?

"Nie kann ich mal in Ruhe etwas lesen und nachdenken, immer lesen 5 Ratten mit, kommentieren und stellen Fragen", grummele ich leicht genervt vor mich hin und werde alsogleich lauter, indem ich mit Dachs, der über die Tastatur spaziert, schimpfe: "Geh weg hier! Oder willst du den Artikel umschreiben?!" "Nein", antwortet er, "ich habe ja gar keine Berechtigung, hier zu schreiben. Ich habe keinen Online-Account. Ich will nur dichter an den Bildschirm, denn Ratten haben nicht so gute Augen." "Aha", erwidere ich, klicke das Symbol für große Schrift an, denn wir haben es gerade mit einer barrierearmen Seite zu tun, und schubse ihn vorsichtig von der Tastatur. "Und", fragt er, "warum liest du dir diesen Europa-Wahl-Mist durch?" "Das ist kein Mist", sage ich. "Übermorgen ist Wahl." "Ich denke, da geht es um die Bebauung oder Nicht-Bebauung des Tempelhofer Feldes", quatscht Rabatz dazwischen. Ratz verdreht genervt seine Augen und erklärt: "Es sind EU-Wahl und Tempelhofer-Feld-Abstimmung." "Was hat denn das beides miteinander zu tun?", erkundigen sich Max und Moritz. "Nicht viel", räume ich ein. "Aber Volksabstimmungen werden meist mit Wahlen zusammen durchgeführt, damit die Menschen nicht doppelt an die Wahlurnen gerufen werden müssen. Das verringert den Aufwand." "...und vermehrt die Verwirrung", fügt Rabatz hinzu. "Da hast du allerdings recht", stöhne ich. "Und die Tempelhofer-Feld-Abstimmung wäre ganz ohne gleichzeitige EU-Wahl schon verwirrend genug." "Wie hast du dich denn nun entschieden?", will Dachs wissen. "Dem Volksbegehren werde ich mit JA zustimmen - keine Bebauung der Freifläche, denn es gibt in Berlin genügend unbebaute Freifläche, die nicht Naherholungsgebiet ist. Den Gesetzesentwurf des Berliner Abgeordnetenhauses werde ich mit NEIN ablehnen - keine Bebauung der innerstädtischen Freifläche, auch nicht am Rand, denn den Abgeordneten glaube ich nicht, dass sie, wenn sie Rand sagen, auch tatsächlich nur Rand meinen." "Ja, aber...", beginnen Max und Moritz wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen enttäuscht zu stottern, "wir wollten doch... keine Randbebauung... und stattdessen... in der Mitte des Feldes... ein Rattenwohlfühlparadies... so mit Nagervitamingrasfeld, Kletterbäumen, Rennstrecke, Versteck-Tunneln, Fußbad..." "Ich weiß, ich weiß", versuche ich sie zu trösten, "aber darum geht es leider in keiner der beiden Abstimmungsfragen. Ich müsste beide mit NEIN beantworten." "Und warum machst du das nicht?", regt Dachs sich auf. "Weil das zwar beide Entwürfe ablehnen, aber im Endeffekt nicht zu einem Rattenwohlfühlparadies führen würde. Dem müsste eine Mehrheit der Wahlberechtigten zustimmen und es gibt nicht genug Menschen, die Ratten wichtig finden", seufze ich. "Ihr Menschen seid alle doof und daran ändert auch die EU-Wahl nichts!", schreit Dachs und schlägt ärgerlich mit einem seiner Pfötchen auf die Tastatur. Aber davon wird lediglich die Schrift auf dem Bildschirm wieder kleiner.

Freitag, 2. Mai 2014

Nichts umkommen lassen

Frauchen frühstückt gewöhnlich Haferflocken-Obst-Joghurt-Müsli, die Tiere lecken anschließend die Joghurt-Becher aus


und die werden nach dieser ökologischen Säuberung auf natürlicher Speichelbasis - nun ja, am Boden teilweise etwas benagt - für Frauchens einzigen Lieblingssohn, den Landwirt in spe, gesammelt und zu Pikierkästen weiterverarbeitet...

Donnerstag, 1. Mai 2014

1. Mai - Tag der Arbeit

"Was machst denn du da?", fragt mich Moritz, als er mich vorm Laptop sitzen und ein fast fertig ausgefülltes Formular anstarren sieht. Ich grummele irgendetwas vor mich hin. "Habe ich nicht verstanden", lautet die Ich-Botschaft, die er mir daraufhin sendet. "Macht nichts", sage ich. "Doch", widerspricht er. Ich seufze. Dann herrscht Schweigen. Jedoch mögen wir es nicht, beherrscht zu werden, also beendet Moritz kurz darauf diese Herrschaft des Schweigens, indem auch er seufzt, dann seufze wieder ich und so geht das noch eine Weile hin und her. Irgendwann haben wir keine Lust mehr zu seufzen und es hilft ja auch niemandem weiter, also erkläre ich: "Ich muss für das Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg, von dem ich seit knapp einem Jahr einen Auftrag habe, einen Profilbogen ausfüllen." Und erneut seufze ich. Die anderen vier Ratten, die sich für unser Gespräch zu interessieren beginnen, springen nacheinander auf den Tisch. Dachs schaut abwechselnd zu mir und zu Ratz, der gewöhnlich, wenn ich es nicht tue, oder aber er anderer Meinung ist als ich, allen alles erklärt, aber diesmal nichts erklärt, jedenfalls nicht direkt, sondern stattdessen drei für die Klärung nicht unbedeutende Fragen stellt: "Profilbogen? Bewerbung? Jetzt?" Ich nicke und seufze noch einmal. Er hakt nach: "Du bekommst zuerst den Auftrag und bewirbst dich dann?" Ich schüttele den Kopf. "Muss das jetzt irgendjemand verstehen?", erkundigt sich nun Max. "Muss nicht", führe ich aus. "Och, nun krieg doch einfach mal deine Zähne auseinander!", fordert Rabatz mich zu mehr Gesprächigkeit auf, ich indes gähne zunächst - das ist auch Mundöffnen mit Zähnezeigen - und füge erst etwas später gereizt hinzu: "Jetzt gebt doch einfach mal Ruhe, lasst mich überlegen, mit welchen Klienten ich mir das Arbeiten grundsätzlich zutraue, und hier eintragen, welche Krankheiten bzw. Behinderungen ich als Betreuungsaufgabe ausschließe!" "Nö, das hat Zeit", nörgeln Dachs und Ratz, "vorher wollen wir von dir noch wissen, wie ihr Menschen euch Arbeit macht." "Ihr wollt was?!", kreische ich. "Ich soll euch mal eben schnell, so fast nebenbei den Ersten Arbeitsmarkt erklären?!" Ich stampfe in die Küche, ziehe einige JW-Seiten mit dem grausamen Titel Kapital & Arbeit aus dem Altpapier, stecke sie ihnen in den Käfig, kehre vor mich hin fluchend "Wie wir Menschen uns Arbeit machen" zurück an den Schreibtisch, sehe auf ihm fünf äußerst erschrockene Ratten hocken und erschrecke sogleich selbst: "Oh, was habe ich getan?! Meine schlechte Laune an euch ausgelassen." Als ein Zeichen der Versöhnung lege ich meine ausgestreckte Hand vor ihnen ab und, oh Wunder, sie nehmen die Entschuldigung an, krabbeln den Arm als Brücke nutzend auf meine Schultern und von dort mir unter den Pullover, wo sie es sich gemütlich machen. (Ratten sind wahrhaftig die besseren Menschen, also ich meine, nicht nachtragend.) Irgendwann taucht Moritz' Mäulchen bzw. Schnäuzchen neben einem meiner Ohren auf und er wispert: "Verrätst du uns nun, warum du dich um einen Auftrag bewerben musst, den du längst hast?" "Nun ja", antworte ich und augenblicklich ragen auch die anderen vier Köpfchen unter meinem Ausschnitt hervor, "ich muss mich nicht nachträglich bewerben, das habe ich vorher getan, sondern einen verloren gegangenen Profilbogen durch einen neuen ersetzen." "Die haben deine Zettel verbummelt?!", empören sich Max und Moritz synchron. "Sieht ganz so aus", bestätige ich. "Erst ist das Amt vom früheren Standort - asbestverseucht - in ein Ausweichgebäude umgezogen und dann gab es im Zuge von Umstrukturierungen auch noch Zuständigkeitswechsel, also das Prinzip, nach dem Klienten und deren Helfer den Mitarbeitern des Amtes zugeordnet sind, wurde geändert, da passiert so manche Unwägbarkeit..." "Und deshalb hast du nun schlechte Laune", mault Moritz. "Na, inzwischen nicht mehr, oder?", entgegne ich halb spöttisch, halb fragend, während ich einen nassen Fleck auf meinem Pullover betrachte, wo unmittelbar zuvor noch eine Ratte gesessen hat. "Haben wir eigentlich heute schon gefrühstückt?" Auf diese Frage erhalte ich ausschließlich nonverbale Reaktion: Fünf Ratten fliegen mehr, als dass sie liefen, in die Küche. Nur Ratz ist nicht mehr gar so schnell.