Freitag, 23. Mai 2014

Kein Rattenwohlfühlparadies?

"Nie kann ich mal in Ruhe etwas lesen und nachdenken, immer lesen 5 Ratten mit, kommentieren und stellen Fragen", grummele ich leicht genervt vor mich hin und werde alsogleich lauter, indem ich mit Dachs, der über die Tastatur spaziert, schimpfe: "Geh weg hier! Oder willst du den Artikel umschreiben?!" "Nein", antwortet er, "ich habe ja gar keine Berechtigung, hier zu schreiben. Ich habe keinen Online-Account. Ich will nur dichter an den Bildschirm, denn Ratten haben nicht so gute Augen." "Aha", erwidere ich, klicke das Symbol für große Schrift an, denn wir haben es gerade mit einer barrierearmen Seite zu tun, und schubse ihn vorsichtig von der Tastatur. "Und", fragt er, "warum liest du dir diesen Europa-Wahl-Mist durch?" "Das ist kein Mist", sage ich. "Übermorgen ist Wahl." "Ich denke, da geht es um die Bebauung oder Nicht-Bebauung des Tempelhofer Feldes", quatscht Rabatz dazwischen. Ratz verdreht genervt seine Augen und erklärt: "Es sind EU-Wahl und Tempelhofer-Feld-Abstimmung." "Was hat denn das beides miteinander zu tun?", erkundigen sich Max und Moritz. "Nicht viel", räume ich ein. "Aber Volksabstimmungen werden meist mit Wahlen zusammen durchgeführt, damit die Menschen nicht doppelt an die Wahlurnen gerufen werden müssen. Das verringert den Aufwand." "...und vermehrt die Verwirrung", fügt Rabatz hinzu. "Da hast du allerdings recht", stöhne ich. "Und die Tempelhofer-Feld-Abstimmung wäre ganz ohne gleichzeitige EU-Wahl schon verwirrend genug." "Wie hast du dich denn nun entschieden?", will Dachs wissen. "Dem Volksbegehren werde ich mit JA zustimmen - keine Bebauung der Freifläche, denn es gibt in Berlin genügend unbebaute Freifläche, die nicht Naherholungsgebiet ist. Den Gesetzesentwurf des Berliner Abgeordnetenhauses werde ich mit NEIN ablehnen - keine Bebauung der innerstädtischen Freifläche, auch nicht am Rand, denn den Abgeordneten glaube ich nicht, dass sie, wenn sie Rand sagen, auch tatsächlich nur Rand meinen." "Ja, aber...", beginnen Max und Moritz wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen enttäuscht zu stottern, "wir wollten doch... keine Randbebauung... und stattdessen... in der Mitte des Feldes... ein Rattenwohlfühlparadies... so mit Nagervitamingrasfeld, Kletterbäumen, Rennstrecke, Versteck-Tunneln, Fußbad..." "Ich weiß, ich weiß", versuche ich sie zu trösten, "aber darum geht es leider in keiner der beiden Abstimmungsfragen. Ich müsste beide mit NEIN beantworten." "Und warum machst du das nicht?", regt Dachs sich auf. "Weil das zwar beide Entwürfe ablehnen, aber im Endeffekt nicht zu einem Rattenwohlfühlparadies führen würde. Dem müsste eine Mehrheit der Wahlberechtigten zustimmen und es gibt nicht genug Menschen, die Ratten wichtig finden", seufze ich. "Ihr Menschen seid alle doof und daran ändert auch die EU-Wahl nichts!", schreit Dachs und schlägt ärgerlich mit einem seiner Pfötchen auf die Tastatur. Aber davon wird lediglich die Schrift auf dem Bildschirm wieder kleiner.

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