Samstag, 7. Juni 2014

Belle-Et-Triste gefunden

"Na, ihr fünf", frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, "wollt ihr wissen, was ich heute gefunden habe?" "Ja", piepst ein fünfstimmiger Chor und steckt neugierig die Köpfchen heraus. Dachs springt mit einem kräftigen Satz auf den Boden, marschiert schnurstracks auf meinen Rucksack zu und beginnt, ihn intensiv zu beschnuppern. "Nee, du", feixe ich, "im Rucksack ist es nicht. Was ich heute gefunden habe, lässt sich nicht einstecken und mitnehmen, jedenfalls nicht so direkt." Die auf mich gerichteten Rattenblicke werden noch neugieriger. "Nun sag schon", quängelt Moritz. Ich lasse die Tiere noch einen Moment ungeduldig zappeln. "Meine Buchhandlung", rücke ich dann mit der Sprache heraus. Sogleich werden aus ihren neugierigen Blicken irritierte. Nach einer Runde allgemeinen Schweigens räuspert sich Rabatz, dann konstatiert Ratz: "Aha. Du wirst jetzt also Buchhändlerin." "Um Himmels Willen!", entfährt es mir. "Nein! Keine Bücher verkaufen! Kaufen!" "Aber das machst du doch schon immer", merkt Rabatz an, während er vom Käfig aus auf mein Bett und von dort zu seinem Lieblingsplatz zwischen die Brecht-Bände ins Regal darüber springt. "Dazu musstest du nicht plötzlich deine Buchhandlung finden." "Musste ich nicht", gebe ich ihm recht, "aber ich tat es, und zwar unbeabsichtigt, gewissermaßen fast nebenbei... Zuerst bemerkte ich am U-Bahnhof Seestraße ein fabelhaftes Plakat für eine Buchhandlung namens Belle-Et-Triste, dann fuhr ich einen kleinen Umweg, der mich zu eben dieser Buchhandlung und in sie hinein führte..." "...und fortan kaufst du noch mehr Bücher als bisher", fällt mir Ratz stöhnend ins Wort. "Wäre das schlimm?", erkundige ich mich erstaunt, füge ihm widersprechend jedoch gleich hinzu: "Sei beruhigt. Ich werde nicht mehr Bücher kaufen als bisher, die, die ich kaufe, aber mit mehr Freude. Es ist eine Buchhandlung, wie ich dachte, dass es sie überhaupt nicht mehr gibt. Man geht hinein, sieht außer Büchern erst einmal nichts, das Licht ließe sich als funzlig beschreiben, ist aber in Wahrheit lediglich nicht aufdringlich, zunächst kein Mensch in Sicht, irgendwann hört man hinter einem Bücherstoß leise etwas rascheln: Oh, ein Buchhändler! Ob man sich umsehen dürfe? Ja, natürlich..." "Ach, weißt du", unterbricht mich nun Max, "eigentlich wäre es ja auch ganz schön, wenn du irgendwo unterwegs - z.B. in einem Lebensmittelgeschäft - Käse gefunden hättest." Leicht verärgert über so wenig Begeisterung für meine Schwärmerei knurre ich vor mich hin: "Muss auch nicht jeden Tag Käse geben. Wir haben Nüsse." Als wolle er um Entschuldigung bitten, umkreist Max meine Füße und kitzelt sie mit den Schnurrhaaren, während die anderen schon auf dem Weg in die Küche sind.

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