Sonntag, 10. Juni 2018

Trauerfeier im Jenseits

"Wo ist Kunz?", fragt mich Hinz, nachdem ich den Müll aus der Wohnung und anschließend die leeren Eimer zurück an ihren Platz unter dem Spülbecken gebracht habe. "Ich wusste, dass du mich das auf diese unumwundene und direkte Art fragen würdest", stöhne ich, was allerdings nicht die Antwort auf seine Frage ist. Eine Gesprächspause entsteht und hält an, bis er schnippisch konstatiert: "Dann hättest du mir die Antwort im Grunde genommen schon geben können, bevor ich die Frage überhaupt gestellt hatte." "Nein", kontere ich, "dazu ist die Sache zu kompliziert." "Kompliziert?", hakt er nach, "was ist daran kompliziert? Wo hast du Kunz hingetragen?" "Nach draußen", gebe ich knapp Auskunft. "Geht es etwas genauer?", erkundigt er sich unwirsch. "Also gut", setze ich zögerlich zu etwas mehr Ausführlichkeit an, "ich habe die Schachtel, in der er ruht, mit einem Deckel verschlossen und dann in die Mülltonne gelegt. Das heißt..." Hinz fällt mir erregt ins Wort: "Er ist, nachdem er die Lebens- sowie im Zusammenhang damit die Fresslust und infolgedessen innerhalb kurzer Zeit auch massiv an Gewicht verloren hatte, von uns gegangen, wie Menschen das auszudrücken pflegen, und seine sterblichen Überreste liegen nun im Müll." "Ja", pflichte ich ihm bei, "nicht einfühlsam formuliert, aber so ist es." Hinz blickt mich außerordentlich vorwurfsvoll an. "Okay", seufzt er, "aber wenigstens ist seine Seele jetzt im Rattenhimmel." "Woher weißt du das?", will ich wissen. "Das schmecke ich an diesem Salatblatt", erklärt er mir und beißt vom Rucola ab. "Knut hat gekocht und gleich tafeln sie gemeinsam: Rabatz, Ratz und Fatz, Risiko-Paula, Dumba, Dumbi und Mini-Dumba, Dachs, Max und Moritz, Rosa, Kunz… Knut natürlich auch. Alle, die nicht mehr hier sind."

1 Kommentar:

  1. Ich habe Sehnsucht nach allen...
    Knut hat Kürbissuppe gekocht. Ich kann es riechen...

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